11.06.2021

Auf den Zahn gefühlt: Zur bevorstehenden Wahl des künftigen Oberbürgermeisterpostens richtete der Paritätische Braunschweig mit den OB-Kandidatinnen und Kandidaten zum Auftakt eine Diskussionsrunde aus


(v.l.) Kaspar Haller, parteiloser Kandidat der Ratsfraktionen CDU/FDP mit Unterstützung der neu zur Wahl angetretenen Gruppe Volt, Birgit Huvendieck, BIBS, Thorsten Kornblum (SPD), Anke Schneider (Die Linke) und die parteilose Kandidatin Tatjana Schneider für Bündnis 90/Die Grünen) sowie Sven Spier, Geschäftsführer des Paritätischen Braunschweig

Der Startschuss ist gefallen. Am vergangenen Mittwochabend kamen die fünf OB-Kandidatinnen und Kandidaten zur Diskussionsrunde unter dem Motto „Für unsere Stadt – Was sind meine sozialen Visionen für Braunschweig in den Jahren 2021 – 2026“ in den Räumen der Lebenshilfe Braunschweig zusammen und starteten damit in den Wahlkampf zur Oberbürgermeisterwahl. Gemeinsam mit dem Paritätischen Braunschweig, der die Veranstaltung im Rahmen seiner Kreisverbandsversammlung organisierte, sowie den rund dreißig Vertreterinnen und Vertretern von Mitgliedsorganisationen stellten sich die Kandidatinnen und Kandidaten den Fragen von Sven Spier, Geschäftsführer des Paritätischen Braunschweig und den interessierten Gästen. Moderiert wurde die Veranstaltung, die unter den bekannten Corona-Hygienemaßnahmen in Präsenz stattfinden konnte, von Wolfram Bäse-Jöbges.    

Zu sozialpolitischen Themen wie „bezahlbarer Wohnraum“ und „Bürgerbeteiligung“ diskutierten Kaspar Haller (parteiloser Kandidat der Ratsfraktionen CDU/FDP, er wird zudem von der neu zur Wahl antretenden Gruppe Volt unterstützt), Birgit Huvendieck (BIBS), Thorsten Kornblum (SPD), Anke Schneider (Die Linke) und Tatjana Schneider (parteilos, für Bündnis 90/Die Grünen).

Bei einigen Themen waren sich die fünf Kandidatinnen und Kandidaten erstaunlich einig und lagen mit ihren Antworten gar nicht weit voneinander entfernt. So wollen alle die Bürgerinnen und Bürger der Stadt mehr mitnehmen und beteiligen.

Bezahlbarer Wohnraum:

Sozialer Wohnraum müsse in der Mitte der Stadt angesiedelt sein. Zudem müsse die Quote der Sozialwohnungen von 20 auf 30 Prozent erhöht werden. Diese Prozentzahl solle allerdings nicht auf Wohnungen, sondern auf Quadratmeter umgerechnet werden. Leistbar, bezahlbar und anpassbar, mit diesen drei Worten fasste Kandidatin Tatjana Schneider die Vision zukünftiger Lebensmodelle zusammen. SPD-Kandidat für den Posten des künftigen Verwaltungschefs, Thorsten Kornblum betonte: Die Wohnungsfrage sei die zentrale soziale Frage dieser Zeit. Dazu müsse das Angebot deutlich erhöht und die Wohnungsbaugesellschaften besser ausgestattet werden. Anke Schneider von den Linken kritisierte, dass der Anteil des Wohnbestandes in Händen der Wohnungsbaugesellschaften viel zu gering sei. Die Stadt habe also auf 86 Prozent der Wohnungen keinen Zugriff. Der momentane Anteil müsse deutlich erhöht werden. Birgit Huvendieck von den BIBS wies ebenfalls daraufhin, dass die Stadt zu wenig Einfluss habe. Die Instrumente, die es gäbe, seien nicht neu, sie müssen nur angewandt werden. Dazu brauche es Durchsetzungsvermögen. „Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir die Stadt sozial tragbarer machen“, so Huvendieck. Kaspar Haller betonte: „Die Instrumente, die wir haben, müssen nach Ergebnissen, nicht nach Quoten gesteuert werden. Zudem müsse die Stadt mit den Investoren Verträge auf Augenmaß schließen und die Verwaltung in die Lage versetzt werden, Anträge beschleunigt zu bearbeiten.

Bürgerbeteiligung:

Bei einem weiteren großen Thema des Abends ging es um das Einbeziehen der Braunschweiger Bürgerinnen und Bürger.

Huvendieck von den Bibs hat die Vision eines BürgerInnenrates unter Einbeziehung aller Gruppen der Bevölkerung, mit einer gewissen Form von Verbindlichkeit, die Konzepte erarbeiten und an Teilhabe mitwirken können. Als Projektbeispiel nannte sie „die essbare Stadt“. Anja Schneider bedauert, dass es den Bürgerhaushalt nicht mehr gibt. Kornblum möchte niedrigschwellige Teilhabe ermöglichen und mehr Menschen für die Demokratie begeistern. Tatjana Schneider betonte: „Teilhabe ist Luxus und nur für diejenigen möglich, die Zeit haben.“ Sie wünscht sich, das Rathaus auf die Straße zu holen. Kaspar Haller möchte alle Beteiligten zu Entscheidungsfindungen heranziehen und einen Expertenrat zu speziellen Themen für bestimmte Fragen etablieren.

Einstimmig war der Tenor bei der Frage nach einer möglichen Privatisierung des städtischen Klinikums: Das Klinikum soll städtisch bleiben. Eine große Übereinstimmung gab es auch bei der Bewertung der Bedeutung der freien Träger in der Stadt. Kürzungen in diesem Bereich dürfe es nicht geben, sondern vielmehr eine verlässliche und planbare Finanzierung.

Das kurze Schlussresümee von Kaspar Haller lautete: Es gibt viel zu tun, lassen Sie uns beginnen.“ Birgit Huvendieck sagte: „Wir brauchen das Engagement der Bürgerinnen und Bürger.“ Anja Schneider forderte: „Die Stadt braucht mehr Einfluss um wieder Steuerungsmöglichkeiten zu haben.“ Thorsten Kornblum möchte moderne Teilhabemöglichkeiten schaffen: „Wir sollten noch mehr aufeinander hören und Dinge mutig und menschlich umsetzen, damit die Stadt stärker und lebenswerter aus der Krise herauskommt.“ „Soziales kann nur zusammengedacht werden, mit einer Raum- und Verkehrsplanung“ sagte Tatjana Schneider.

Sven Spier schloss die interessante Runde mit den Worten: „Wir haben hier eine große Wertschätzung für unsere Arbeit erfahren. sowie die Bereitschaft, soziale Arbeit auskömmlich zu finanzieren. Sie können auf uns als verlässlichen, kompetenten aber auch hartnäckigen Partner zählen. Wir bleiben an den Themen dran und werden für unsere Belange und Interesse weiter Feuer machen.“