14.06.2021

Neuer Glücksspielstaatsvertrag tritt ab 1. Juli 2021 in Kraft – Suchtberaterin warnt vor Suchtgefahren


Ab 1. Juli 2021 tritt der neue Glücksspielstaatsvertrag in Kraft. Mit ihm werden diese bislang verbotenen Formen des Online-Glücksspiels wie Online-Casino, Online-Poker, Online-Wetten und virtuelle Automatenspiele erlaubnisfähig. Damit kommt dieser Bereich aus einer rechtlichen Grauzone. Und genau dies kritisiert Larissa Waßmann, Suchtexpertin bei der Jugend- und Drogenberatung in Trägerschaft des Paritätischen Braunschweig: „Aus suchtfachlicher Sicht birgt diese Entwicklung viele Gefahren, denn Spielende von Online-Glücksspielen weisen ein überdurchschnittlich hohes Risiko für ein problematisches Spielverhalten auf. Die Gründe liegen auf der Hand: Die Angebote sind permanent verfügbar, der Bezug zum realen Geld geht verloren und eine soziale Kontrolle fehlt. Während man im Internet eine Wette platziert, kann man so tun, als würde man das Smartphone checken oder eine E-Mail schreiben“, sagt die Präventionsfachkraft Waßmann.

Glücksspiel ist im Internet sieben Tage die Woche rund um die Uhr von nahezu jedem Ort aus verfügbar. Nach außen wirkt das Zocken im Internet meist ganz unauffällig. Das Umfeld, egal ob privat oder am Arbeitsplatz, bekommt davon meist nichts mit. Die Online-Glücksspiele bergen jedoch große Risiken. Was nur wenigen Glücksspielerinnen und Spieler überhaupt wissen – online Glücksspiel ist bislang illegal.

Der bisherige Glücksspielstaatsvertrag besagt nämlich, dass jegliches Online-Glücksspiel illegal ist. Mit Ausnahme von Schleswig-Holstein, das als einziges Bundesland nicht zu den Unterzeichnern gehörte. Der aktuelle Glücksspielstaatsvertrag läuft mit dem 30. Juni 2021 aus. Der neue Staatsvertrag soll unmittelbar danach in Kraft treten.

Trotz einiger Erfolge zum Beispiel im Bereich der Zahlungsunterbindung ist es mit den bislang zur Verfügung stehenden aufsichtsrechtlichen Maßnahmen nicht gelungen, das unüberschaubare Glücksspielangebot im Internet entscheidend einzudämmen. Deshalb erscheint es nach Ansicht der Länder nun sinnvoll, das Online-Glücksspiel in ein Erlaubnisverfahren zu überführen. Eine Entscheidung die aus suchtfachlicher Sicht nicht nachvollziehbar erscheint. „Illegale Anbieter, die ihre Marke in Deutschland platziert und über Jahre hinweg Spielanreize geschaffen und dadurch Spieler an sich gebunden haben, werden nun dafür auch noch mit einer Lizenz belohnt“, kritisiert Larissa Waßmann.

In der Novellierung des Glücksspielstaatsvertrags sind jedoch auch einige Maßnahmen zum Spielerschutz berücksichtigt. So soll es ein zentrales, spielform- und anbieterübergreifendes Sperrsystems geben. Das sei eine durchaus positive Entwicklung, so Wassmann. Auf ein derartiges, bundesweites Sperrsystem warten die Glücksspielsuchtfachkräfte schon seit Langem. Die Selbstsperre ist neben der Beratung und Therapie ein gutes Instrument im Kampf gegen die Spielsucht. Das neue Sperrsystem wird es den sperrwilligen Glücksspielenden in Zukunft auch deutlich erleichtern, sich für die Teilnahme am Glücksspiel sperren zu lassen. War es bislang so, dass sich die Sperrwilligen in jeder einzelnen Spielhalle sperren lassen mussten. Das ist mühselig und bietet nur bedingt Schutz, da es der Sucht noch genügend Einfallstürchen lässt: ist man in der einen Spielhalle gesperrt, geht man eben zur nächsten… Hier wurde im neuen Glücksspielstaatsvertrag nachgebessert. Es reicht ein einziger Sperrantrag und man ist – so die Theorie - für alle Formen des Glücksspiels gesperrt. Außerdem soll jeder, der spielen will, egal ob online, in der Spielhalle oder dem Wettbüro, vor der Teilnahme am Glücksspiel mit Hilfe einer Datenbank überprüft werden, ob er als gesperrt ist.

Zudem soll es eine Begrenzung von Einzahlungen durch ein anbieterübergreifendes Einzahlungslimit geben, das mit Hilfe einer zentralen Limit-Datei überwacht werden soll. Das Einzahlungslimit soll bei 1000 Euro im Monat liegen. Das ist aus suchtfachlicher Sicht viel zu hoch gegriffen, da man das Einzahlungslimit mit einem Verlustlimit gleichsetzen sollte. Jeden Monat kann man also 1000 Euro beim Glücksspiel verlieren. Stellt man sich nur einmal die Frage: wer hat jeden Monat 1000 Euro nach Abzug aller laufenden Kosten für das Glücksspiel übrig? Dann fällt die Antwort ernüchternd aus – kaum jemand!

Die Überwachung und Durchsetzung dieser Maßnahmen soll eine eigene, noch aufzubauende, Glücksspielaufsichtsbehörde in Sachen-Anhalt garantieren, welche aber erst später ihre Arbeit aufnehmen wird - eine Reihenfolge, die nicht schlüssig erscheint.

„Der neue Staatsvertrag sieht zwar einige Regelungen zur Berücksichtigung von Spielerschutzinteressen und zur Vermeidung von Suchtentstehung und -verstärkung vor, er hat aber nach wie vor viele Mängel, die hohe Suchtrisiken bergen. Folgeschäden dieser Änderungen im Glücksspielmarkt, die mit glücksspielsüchtigem Verhalten verbunden sind, werden in der Suchtberatung erst später ankommen, sie werden aber kommen“, so die Suchtexpertin.   

Um die Opfer dieses Glücksspielmarktes kümmern sich Suchtberaterinnen und Berater wie Larissa Waßmann. Sie ist Fachkraft für Glücksspielsucht und Prävention der Jugend- und Drogenberatungsstelle vom Paritätischen Braunschweig. Insgesamt 24 Fachstellen für Glücksspielsuchtprävention und -beratung gibt es in Niedersachsen. In Braunschweig gibt es sogar zwei Fachkräfte: bei der DROBS und beim Lukas- Werk.

Larissa Waßmann bietet für Hilfesuchende sowie für Angehörige aus Braunschweig und Peine Beratungsgespräche an. Sie gibt Tipps und Ratschläge, unterstützt und begleitet bei einer Verhaltensänderung oder vermittelt in andere Hilfeangebote. Im Raum Peine bietet sie in Kooperation mit dem Lukas Werk in Peine immer freitags von 10 bis 12:30 Uhr in den Räumlichkeiten der Fachambulanz Peine der Lukas-Werk Gesundheitsdienste eine spezielle Glücksspielsprechstunde an. Bei beiden Angeboten ist eine telefonische Terminvereinbarung notwendig. Eine Voranmeldung ist über die Drogenberatungsstelle vom Paritätischen in Braunschweig telefonisch unter 0531 220 900 oder über die Fachambulanz in Peine unter 05171 508120 möglich.