Als die Indianer Vienenburg belagerten

Die Sommerferien standen vor der Tür. Und die brachten in der Regel nicht nur Sonnenschein, sondern auch verstärkt Klienten mit ihren Kindern in das Cafe´ Spiegel. In den vergangenen Jahren konnten wir beobachten, dass besonders in den Kindergartenferien, sich mehr Kinder im Kontaktcafe aufhielten als sonst – leider ist unsere Café wahrlich kein idealer Ort für Kinder.
Also wurde im Team beraten, ob und was man anbieten könne, um Kindern aus problembelasteten Familienverhältnissen eine Ferienaktion der besonderen Art zu ermöglichen. In der Vergangenheit fanden Einzelaktionen, wie ein Besuch im Zoo statt, die sehr gut angenommen wurden. Aber eine ganze Erlebniswoche gab es in der Form noch nicht.
Die Idee war geboren und ein passender Ort wurde auch schnell gefunden. Finanziert werden konnte die Erlebniswoche über Lotto- Toto Gelder, die der Goslarer Kreisverband des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zur Verfügung stellte.
Die Erlebniswoche sollte ausschließlich ein Angebot für Suchtkranke Eltern und deren Kinder sein. Im Vorfeld der Erlebniswoche wurde eine Elterngruppe zur Vorbereitung der Erlebniswoche ins Leben gerufen. In dieser wurde geplant und beratschlagt, wie die Tage gestaltet werden könnten. Schon die Vorbereitungstreffen ließen auf eine große Resonanz von Seiten der Klienten hoffen. Die Eltern fanden es sehr gut, direkt in die Planung mit einbezogen zu werden und die Umsetzung einige Wochen später direkt mitzuerleben. Für viele eine ganz neue Erfahrung.
So kam es dann, dass die Indianer vom 14.06. bis 18.06.2008 die Vienenburg belagerten -denn die Erlebniswoche wurde unter das Motto „Indianer“ gestellt.
Insgesamt nahmen 8 Elternteile und 8 Kinder relativ konstant an den fünf Indianertagen teil. Eine sehr hohe Teilnehmerzahl für den Suchthilfebereich.
Um diese Anzahl täglich zur Ranch nach Vienenburg zu transportieren, stelle und die Lebenshilfe einen ihrer Busse für die ganze Woche zu Verfügung.
Beherbergt wurden wir auf einer kleinen Ranch in der Nähe von Vienenburg von Tierheilpraktikerin Martina Heyke. Zu ihren „ tierischen Mitarbeitern“ gehörten zwei Ponys: Pippilotta und Bubi, eine Eselmixstute Mulinette, die Hündin Heidi, das Minischwein Rudi Rudolpho Rüsselschwein und zwei Enten und Hühner.
Der Montag begann mit dem Kennenlernen der Ranch und ihren tierischen Bewohnern. Es wurden Regeln für den Umgang mit Tieren festgelegt, Aufgaben verteilt und jede Menge Fragen beantwortet. Die Kinder konnten die Tiere füttern und manch geduldigem Kind fraßen sogar die Hühner aus der Hand. Es wurde den Kinder gezeigt, wie sie die Ponys putzen müssen und zum Reiten fertig machen. Für geführte Ritte stand der kleine schwarze Bubi zur Verfügung. Geübte Eltern konnten ihre Kinder selbst führen, andere wurden aktiv dabei unterstützt.
Die Eltern konnten sich im Umgang mit Pferden üben, in dem sie mit der braungescheckten Ponystute Pippilotta und der Eselmixstute Mulinette im Paddock spazieren gehen konnten. Dabei wurde ihnen gezeigt, was beim Führen eines Pferdes wichtig ist und auf welche Körperhaltung sie achten mussten. Viel zu schnell ging der erste Tag vorbei.
In den kommenden Tagen erfuhren die Kinder viele Interessante Sachen über Indianer (Wissen sie, warum die Indianer eigentlich Indianer heißen? Falls nein, fragen sie einfach die Kinder, die wissen es bestimmt noch...). Sie bastelten Indianerschmuck aus Federn für sich und die Tiere. Durch engagierten Einsatz einiger Eltern konnten sogar Pfeil und Bogen der Indianer nach gebaut werden.
Die Kinder und Eltern konnten sich im Umgang mit Tieren ausprobieren, sich an gemeisterten Aufgaben erfreuen und neue Fähigkeiten an sich entdecken. Sogar ein alter Streit zwischen zwei Elternteilen konnte sich auflösen, da sie sich in dem neuen Kontext anders sehen und verstehen konnten.
Es wurde fleißig für die Aufführung am Freitag geübt, Feuerholz für das Lagerfeuer gesammelt und natürlich war auch Platz für Erfahrungsaustausch unter den Eltern vorhanden. Mittags stiegen alle zufrieden und ausgepowert in die Autos und manch kleiner Fahrgast nutzte die kurze Fahrt für ein kleines Erholungsnickerchen.
Freitag war es dann soweit, die Aufführung stand bevor.
Die Kinder zeigten ihr Können bei Anlaufspielen an der Longe mit Bubi. Ritten einen abgesteckten Pacour entlang und schossen ihre Pfeile gezielt in die Strohballen – sogar vom Pony aus.
Bei den Kleinen war von Aufregung keine Spur. Anders bei den Erwachsenen, denen die Anspannung deutlich anzusehen war. Doch trotz der Nervosität führten sie tolle Zirkuslektionen mit Pippilotta und Mulinette vor. Ein Vater brachte sogar das Minischwein Rudi Rudolpho Rüsselschwein dazu, sich auf die Seite fallen zu lassen. Was bei Schweinen ein großer Vertrauensbeweis ist.
Nach erfolgreicher Aufführung klangen die Indianertage am Lagerfeuer gemütlich aus. Es wurden Stockbrot, Würstchen und Marshmallows im Feuer gegrillt und dazu selbstgemachte Salate gegessen.
Alles in allem war es eine sehr schöne Woche, in der die Eltern gemeinsam mit ihren Kindern neue Erfahrungen und Eindrücke sammeln konnten und für kurze Zeit, alltägliche Probleme vergessen schienen.