21.07.2022

„Das Leben ist zu schön und zu kostbar, als es wegzudrücken“ – traditioneller Gottesdienst anlässlich des bundesweiten Gedenktages erinnert an Drogentote in Braunschweig


Seit einem Vierteljahrhundert wird in Deutschland einmal jährlich, am 21. Juli mit einem Gedenktag an die verstorbenen Drogenkonsumierenden gedacht. Traditionell findet in Braunschweig dazu seit nunmehr 23 Jahren ein Gedenk- und Trauergottesdienst auf dem Windmühlenberg statt. So auch in diesem Jahr. Organisiert wird dieser vom Selbsthilfe-Netzwerk JES, der Aidshilfe und der Jugend- und Drogenberatung (Drobs). Mit dabei war wie gewohnt auch Henning Böger, Pfarrer der St.-Magni-Gemeinde. Der Gitarrist und Sänger Jörg Hecker sorgte, wie auch in den vergangenen Jahren für den musikalischen Rahmen. Zu Beginn spielte Hecker eindrucksvoll und berührend das Lied von REM „everybody hurts.“ Es sei ein Tag des Erinnerns, aber auch ein politischer Gedenktag, sagte Pfarrer Böger. 1.826 Menschen starben 2021 im Zusammenhang mit ihrem Drogenkonsum - die höchste Zahl seit 20 Jahren. Insgesamt starben in vergangenen 25 Jahren mehr als 34.000 Drogen drogenkonsumierende Menschen. „Wir trauern um jeden einzelnen. Jede und jeder hat einen Namen, ein Gesicht, eine Lebensgeschichte. Wir schulden jeder und jedem einzelnen Respekt. Es sind Menschen, die verstorben, aber nicht vergessen sind“, sagte Böger während des Gottesdienstes. Florian Kregel, neuer Leiter der Jugend- und Drogenberatung, kurz Drobs zeigte sich ebenfalls sichtlich betroffen: „Bei den Namen, die hier in diesem Jahr stehen, ist auch jemand dabei, den ich bereits in der Jugendberatung begleitet habe. Das geht mir schon sehr nahe“, sagte Kregel, der erst jüngst die Leitung der Einrichtung übernommen hat. Die Drobs ist immer Mitorganisator der Gedenkfeier und kümmerte sich um die optische und würdevolle Ausgestaltung wie die Bilder, die mit den Namen der Toten versehen sind und in schwarzen Rahmen aufgestellt waren. In diesem Jahr standen zwölf Rahmen auf dem Tisch: Zwölf Rahmen, zwölf Namen, zwölf Tote. „Der Gedenktag ist unglaublich wichtig. Zum einen natürlich vorrangig, um an die Verstorbenen zu erinnern und zu gedenken, aber auch zu zeigen, welche Hilfsangebote es gibt“, so Florian Kregel.

Während des Gottesdienstes gab Pastor Henning Böger den Anwesenden die Möglichkeit, sich noch einmal mit persönlichen Worten direkt von den Verstorbenen zu verabschieden. Die Gelegenheit nutzen zwei der Teilnehmenden. Sichtlich betroffen verabschiedete sich ein Besucher noch einmal von seinem besten Freund, der mit 28 Jahren verstarb. „Wir waren die dicksten Freunde, er war auf einem guten Weg. Es ist für mich immer noch unbegreiflich und er fehlt mir so sehr.“

Eine weitere Besucherin des Gottesdienstes zeigte sich beim Lesen der Namen erschrocken: „Ich kenne von den Namen, die hier stehen, fast siebzig Prozent. Alles so liebe Menschen“, sagte sie traurig.

Thomas Fabian von der Drogenselbsthilfe JES wies auf die Bedeutung der Prävention und Aufklärung hin. „In der Hoffnung, dass ihr nicht so schnell Teil dieser Kreuze sein werdet, meine Bitte an Euch: Passt auf euch auf!“, sagte Fabian und wies damit auf das Spalier von Holzkreuzen hin, das als Weg zum Gottesdienst führte. „Das Leben ist zu schön und zu kostbar, um es wegzudrücken“, mahnte er eindringlich. Zum Abschluss bildeten die Besucherinnen und Besucher des Gottesdienstes eine Menschenkette, hielten noch einmal inne und gedachten den Verstorbenen.

Bereits am Mittwoch gab es auf dem Kohlmarkt Infostände um auf den Gedenktag und auch auf die Hilfsangebote hinzuweisen.