23.10.2023

Ein Plädoyer für die Selbsthilfe: Filmabend und Lesung im Rahmen der bundesweiten Woche der seelischen Gesundheit unter dem Motto „Gemeinsam der Angst das Gewicht nehmen“


Im Rahmen der bundesweiten Woche der seelischen Gesundheit lud die Kontaktstelle für Selbsthilfe, Kibis, zu zwei sehr gut besuchten Veranstaltungen ein. Ein Plädoyer für die Selbsthilfe war der Dokumentarfilm „Nicht allein sein“, der im Roten Saal im Braunschweiger Schloss gezeigt wurde. Rund fünfzig Interessierte tauchten in dem Film in die Welt von vier jungen Erwachsenen ein. Jennifer, Oliver, Monique, Alena: Vier Menschen Anfang zwanzig mit unterschiedlichen Erkrankungen. Sie schildern ihre Gefühle, ihre Ängste, die krankheitsbedingten Einschnitte und Schwierigkeiten in ihrem Leben und ihren Weg zur Selbsthilfe. Die gängigen Klischees hatten alle vier im Kopf. Doch dass Selbsthilfe viel mehr als nur ein Stuhlkreis älterer Menschen ist, dass der Austausch mit Gleichgesinnten helfen kann, das haben sie alle schnell gemerkt. Sie alle beschreiben ähnliche Erfahrungen wie: sich nicht allein zu fühlen, mitgestalten zu können, gegenseitiges Verständnis zu entwickeln, Akzeptanz, das Gefühl auch anderen helfen zu können. Auch gemeinsame Unternehmungen, Leichtigkeit und Spaß gehören ebenso dazu. Selbsthilfe ist dynamisch und immer im Wandel.
Und auch in Braunschweig bringt die Junge Selbsthilfe frischen Wind in die Selbsthilfebewegung. Zweimal im Monat trifft sich die Junge Selbsthilfe. Infos dazu gibt es hier: www.zeit-was-zu-veraendern.de.Im Anschluss an den Film gab es Zeit für Gespräche. Unterstützt wurde der Filmabend von der AOK.

Ausgebucht war das KULT Theater in Braunschweig, als Stephan Falkenstein und Nora Hille in der gemeinsamen Lesung über ihre Erfahrungen mit Depressionen und der bipolaren Erkrankung berichteten. Der Braunschweiger Autor Stephan Falkenstein las aus seinem Buch „Leben mit meiner Freundin der Depression“. Anfang 30 war Falkenstein, als bei ihm ein großer Tumor an der Halswirbelsäule operativ entfernt werden musste. Nach der Operation war er teilweise gelähmt, fiel in eine schwere Depression mit Suizidgedanken.

Nora Hille leidet seit 25 Jahren an einer bipolaren Störung. Zwei Jahrzehnte hat sie diese versteckt gehalten aus Angst vor Stigmatisierung und Ausgrenzung. In ihrem Buch „Wenn Licht die Finsternis besiegt“ verarbeitet sie ihre Gefühle. Heute können die beiden gut mit ihren Erkrankungen umgehen, engagieren sich in Selbsthilfegruppen.

Um Nachempfinden zu können, wie sich Menschen mit Depressionen fühlen, gab es im Rahmen der Veranstaltung ein Experiment mit einem Angehörigen: Der Sohn der Autorin Nora Hille zog einen schweren Röntgenmantel an, setzte sich einen Motorradhelm auf und ging damit für ein paar Minuten durch den Saal. Danach berichtete er von dem Gefühl einer Schwere und Antriebslosigkeit, sowie beginnender Konzentrationsschwäche. Eine beeindruckende, bildhafte Vermittlung der Gefühls- und Empfindungswelt eines depressiv erkrankten Menschen.